Welche Rolle spielt Vertrauen in Klimakonferenzen – und wie können wir es stärken?
Teil 2 der Blogartikel-Reihe "Psychologie der COPs"
Teil 1: Überblick - Psychologie der COPs
Teil 2: Vertrauen
Teil 3: Folgt
Wer die Klimaverhandlungen der Vereinten Nationen beobachtet (so wie ich im Juni 2025 auf der SB62 in Bonn), sieht Delegierte in langen Sitzungen über Textbausteine streiten. Doch was am Ende wirklich über Erfolg oder Scheitern entscheidet, liegt tiefer: Es ist Vertrauen. Ohne Vertrauen zwischen Staaten, Verhandler:innen und Institutionen bleibt jede Vereinbarung Papier. Mit Vertrauen hingegen öffnen sich Türen – für Allianzen, Kompromisse und gemeinsames Handeln.
Genau hier kommt die Psychologie ins Spiel. Sie hilft uns zu verstehen, wie Vertrauen entsteht, warum es zerbricht und wie es gestärkt werden kann.
Vertrauen bedeutet, verletzlich zu sein: Ich setze auf dein Wort, auch wenn ich nicht kontrollieren kann, ob du es hältst. Das kennen wir aus dem Privatleben von romantischen Beziehungen und Freundschaften — und wissen, wie hart es ist, wenn Vertrauen missbraucht wird.
Auf politischer Ebene ist in internationalen Klimaverhandlungen diese Verletzlichkeit besonders groß. Länder machen Zusagen, die Milliarden kosten, die eigene Wirtschaft verändern oder von innenpolitischen Gegnern angegriffen werden können.
Die aktuelle Forschung von Schroeder und Kolleg:innen (2024) zeigt:
Dieses Spannungsverhältnis ist kein Zufall: Interviews mit Verhandler:innen in Klimakonferenzen zeigen immer wieder, dass Transparenz, Zuverlässigkeit, Handeln in guter Absicht und geteilte Ziele die wichtigsten Variablen für Vertrauen sind (Schroeder et al., 2024). Politisches Misstrauen wird dagegen durch Machtasymmetrien (Nord–Süd), mangelnde Repräsentation kleiner Staaten, intransparente Prozesse und gebrochene Finanzzusagen verschärft.
Ein Blick in die Geschichte der Klimaprozesse zeigt zudem: Institutionelles Design prägt Vertrauensdynamiken. Während die UNFCCC (1992) Vertrauen in den Prozess anlegte, war das Kyoto-Protokoll (1997) eher von institutionellem Misstrauen geprägt. Das Pariser Abkommen (2015) wiederum schuf neues Vertrauen, indem es gemeinsame Ziele und eine Logik geteilter Verantwortung in den Vordergrund stellte.
Das Ergebnis bleibt bis heute paradox: Manchmal vertrauen Delegierte einander persönlich, aber nicht den Strukturen, in denen sie agieren.
Bei den Bonner Zwischenverhandlungen (SB62) war genau das für mich als Psychologin klar spürbar. In den Abendstunden, wenn Müdigkeit und Frust zunahmen, kippte die Stimmung. Gesichter wurden verschlossen, die Atmosphäre abweisend. Doch kleine Gesten – ein ehrliches Dankeschön, ein Lächeln, ein Angebot zur Kooperation – konnten die Stimmung drehen und neues Vertrauen schaffen.
Gleichzeitig blieb das Misstrauen gegenüber dem Prozess präsent: Werden Finanzzusagen wirklich eingehalten? Wird der Loss & Damage Fund fair umgesetzt? Dieses institutionelle Misstrauen ist kein Zufall – es ist tief in die Geschichte der Klimaverhandlungen eingeschrieben.
Aus der Psychologie wissen wir, dass Vertrauen durch viele unsichtbare Dynamiken beeinflusst wird:
Eine groß angelegte Meta-Analyse von Hancock und Kolleg:innen (2023) bestätigt drei übergreifende Mechanismen im Vertrauen zwischen Menschen:
Was heißt das für die Klimadiplomatie?
Institutionen vertrauenswürdiger machen
Vertrauen braucht Strukturen. In Klimaverhandlungen heißt das: klare Verfahren, überprüfbare Zusagen und transparente Entscheidungswege. Vertragsbrüche müssen Konsequenzen haben – durch Reputationsdruck, „naming and shaming“ oder Ausschluss aus Koalitionen. Nur so wird Vertrauen von einer riskanten Hoffnung zu einer belastbaren Grundlage.
Psychologische Kompetenzen bei Delegierten stärken
Technisches Wissen reicht nicht. Wer Emotionen regulieren kann, bleibt auch in langen Sitzungen verhandlungsfähig. Aktives Zuhören und Perspektivübernahme öffnen den Raum für Kompromisse. Vertrauen ist damit keine abstrakte Idee, sondern eine konkrete Fähigkeit, die trainiert werden kann.
Verhandlungsräume und Allianzen gezielt gestalten
Kleine, konstante Arbeitsgruppen fördern persönliche Beziehungen. Informelle Treffen am Rande von Konferenzen geben Platz für Gesten, die Vertrauen schaffen – ein Dank, ein offenes Gespräch, eine Einladung zur Zusammenarbeit. Allianzen mit gemeinsamen Auftritten oder Symbolen machen Verlässlichkeit sichtbar.
Gemeinsame Identitäten für Vertrauen nutzen
Nord–Süd-Narrative vertiefen Misstrauen. Neue „Wir-Gefühle“ – etwa das 1,5°C-Ziel als gemeinsames Projekt oder das brasilianische Mutirão als Bild des gemeinsamen Anpackens – können Brücken bauen. Geteilte Identitäten verwandeln Fremde in Verbündete.
Vertrauen ist kein weicher Faktor, sondern die entscheidende Währung der internationalen Klimapolitik. Ohne Vertrauen bleiben Worte folgenlos. Mit Vertrauen können selbst tiefe Gräben überwunden werden.
COP30 in Belém wird daher auch ein Test: Gelingt es, politisches Vertrauen in die Institutionen neu zu beleben – und das persönliche Vertrauen zwischen Delegierten in konkrete, belastbare Vereinbarungen zu übersetzen?
Die Forschung macht deutlich: Persönliches Vertrauen allein reicht nicht. Damit es trägt, braucht es institutionelle Strukturen, die transparent, inklusiv und verlässlich sind – und die Zusagen endlich einlösen. Vertrauen ist dabei mehrdimensional und sichtbar im Verhalten: durch Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit und faire Verfahren.
Eines ist sicher: Ohne Psychologie werden wir diese Währung weder verstehen noch stärken können.
Janna Hoppmann ist Psychologin und Mercator Fellow für Internationale Aufgaben. Sie arbeitet seit vielen Jahren an der Schnittstelle von Psychologie, Klima und Politik – unter anderem mit Regierungen von SIDS-Staaten, internationalen NGOs und aktuell im engen Austausch mit der COP30-Präsidentschaft. Mit ClimateMind bringt sie psychologisches Wissen in internationale Klimaverhandlungen, in die Arbeit von Delegationen und in transformative Dialogformate.
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